Spritzguss großer Produkte in kleinen Serien
Bei großen Teilen, von denen im Jahr nur wenige erforderlich sind, ist Spritzguss keine offensichtliche Wahl. Hohe Investitionen und begrenzte Möglichkeiten, heißt es oft.
Was ist ein großes Produkt, und was ist eine kleine Serie?
Wer diese Frage stellt, bekommt ganz unterschiedliche Antworten. Für manche besteht eine kleine Serie aus 10 Stück, für andere sind 5.000 Stück auch noch wenig. Für den einen ist ein Produkt von 100 x 100 mm schon groß, für den anderen gilt das erst bei einer Länge von 1.000 mm.
Dieses Whitepaper bezieht sich auf Serien zwischen 50 und 5.000 Stück im Jahr. Für Pekago ist ein großes Produkt ein Teil, das mit einer 400-Tonnen-Maschine oder größer zu produzieren ist. Eine Maschine von 400 Tonnen erzeugt Produkte mit einem Volumen von ca. 350 cm³ und 400 mm x 400 mm. Diese Festlegungen beruhen auf der Tatsache, dass:
- sich beim Spritzguss die Kosten pro Produkt ab 5.000 Stück kaum noch ändern;
- Maschinen bis 400 Tonnen allgemein üblich sind.
Spritzguss - eine seltsame Wahl
Der Spritzguss ist bei diesen geringen Stückzahlen nicht die offensichtlichste Wahl. Schließlich muss man in eine relativ teure Form investieren. Dass der Produktpreis damit ziemlich niedrig ist, ist nicht so interessant, gerade weil oft noch unklar ist, ob sich die Form rentiert.
Für kleine Serien von Kunststofferzeugnissen wird deshalb oft 3D-Druck, Drehen oder Fräsen, Thermoformen oder Reaction Injection Moulding (RIM - Polyurethan) gewählt. Beim 3D-Druck und bei der mechanischen Bearbeitung liegen die Investitionen bei Null, bei Thermoformen und RIM sind die Formen relativ günstig.
Folgende Übersicht zeigt das Verhältnis zwischen Investition und Produktpreis. Natürlich ist dies – je nach den Anforderungen – für jedes Produkt anders. Unser Vergleich betrifft nur Produkte aus Kunststoff. Alternativ dazu sind andere Materialien, wie Aluminium oder Stahlblech, oft ebenfalls möglich.
Beachten Sie dabei, dass es um große Erzeugnisse geht. Je größer das Produkt, desto größer sind die Unterschiede zueinander.
Argumenten für den Spritzguss bei geringer Anzahl
Ausgangspunkte beim Entwurf neuer Produkte sind fast immer Funktion und Design. Wie das neue Erzeugnis entstehen muss, ist ein Prozess, der manchmal wenig und mitunter sehr viel Zeit erfordert. Um die Investitionen zu minimieren, betrachtet man bei geringen Jahresvolumina am besten die Techniken, die preisgünstiger als der Spritzguss sind. Sie weisen jedoch oft Einschränkungen auf, die der Spritzguss aufheben kann, wie:
- Große Formfreiheit. Das unterscheidet den Spritzguss vor allem vom Thermoformen und der mechanischen Bearbeitung. Man denke an Texturen, Rundungen, doppelt gekrümmte Oberflächen, Schnappverbindungen usw.
- Materialauswahl: Spritzguss bietet mehr Möglichkeiten als 3D-Druck. Der 3D-Druck entwickelt sich momentan sehr stark, aber die Materialauswahl ist noch begrenzt.
- Toleranzen: Die Maßgenauigkeit ist von allen genannten Techniken (nach der mechanischen Bearbeitung) am höchsten.
- Bei einem guten Entwurf empfiehlt sich der Spritzguss als Technik für die Funktionsintegration: Details, die sich sonst nur durch den Zusammenbau von Teilen realisieren lassen, können beim Spritzguss oft in einem Produkt kombiniert werden. Das Teil selbst wird damit zwar teurer, aber die Gesamtkosten sinken (weniger Kaufteile und Montagearbeit).
Kostenersparnis beim Spritzguss
Von der erforderlichen Investition für das Spritzgießen ist wohl niemand begeistert. Die Kosten sind hoch, und nach der Lieferung sind noch kaum Produkte verfügbar. Bei großen Erzeugnissen in geringer Stückzahl lohnt es sich denn auch, bei der Investition möglichst viel zu sparen, sogar wenn dies das Endprodukt verteuert. Es gibt folgende Möglichkeiten:
- Eine fräsbare Geometrie. Alles, was einer Funk- oder Ätzbearbeitung zu unterziehen ist, verteuert die Investition. Beispiele: Rundungen, kleine Räume und komplexe Formen.
- Eine Form aus Aluminium anstatt Stahl: je härter das Metall, desto länger die Fräs-, aber auch die Standzeit. Bei geringen Stückzahlen reicht ein Aluminium- oder Weichstahl für das Spritzgussprodukt.
- Eine Form ohne bewegliche Teile: Rutschen und Verschieben sind möglichst zu verhindern. Alternative: Durchlaufkerne oder Nachbehandlung. Die Nachbehandlung verteuert das Produkt.
- Formherstellung in China: Die Kosten sind viel niedrigerer als in Europa, und die Qualität hat sich in den letzten Jahren stark verbessert.
- Formen mit austauschbaren Formhöhlungen: Produkte, die sich sehr ähneln, können mit der gleichen Form hergestellt werden. Dabei wird die Formhöhlung oder ein Teil davon ausgetauscht.
Tipps für Produktentwurf
In der Entwurfsphase kann man schon sehr viel unternehmen, um die Kosten der Form zu minimieren. Einige Beispiele:
- Große Toleranzen: Es besteht der Trend, Toleranzen auf Zeichnungen möglichst klein zu gestalten, obwohl das oft gar nicht nötig ist. Größere Toleranzen verhindern unnötige Iterationen, Probegüsse und Nachbehandlungen. Prüfen Sie genau, welche Toleranzen tatsächlich erforderlich sind, und passen Sie den Entwurf entsprechend an. Erfahren Sie mehr über das Entwerfen von Spritzgussteilen in diesem Design Guide (auf Englisch).
- Verwenden Sie (beim Lieferanten) verfügbare Materialien. Die Einkaufskosten sind für kleine Materialmengen oft sehr hoch.
- Modulentwurf: Denken Sie an eine Vorder- und Rückseite, die sich nur in Details unterscheiden. Sie können mit der gleichen Form gespritzt werden, wobei die Ausführung durch die Nachbehandlung bestimmt wird.
Der Fußdieses CT-Scanners besteht aus einer Vorder- und einer Rückseite, die nahezu identisch sind und mit der gleichen Form gespritzt wurden.
Beispiele von Änderungen im Entwurf, mit denen die Konstruktion der Form vereinfacht wird.
Lackierung von Kunststoff: niedrigere Investition
Ein weitere Möglichkeit, die Investition niedrig zu halten, ist die Lackierung der Produkte. Natürlich erhöht die zusätzliche Bearbeitung die Kosten pro Produkt, aber die Form kann günstiger erstellt werden, und bei kleinen Serien lässt sich einfach jeweils eine andere Oberfläche oder Farbe wählen. In der Form muss keine Textur (Funk- oder Ätzbearbeitung) angebracht werden, und Spritzgussfehler werden leicht kaschiert. Bei kleinen Serien werden infolge von Anfangsproblemen verhältnismäßig mehr Produkte weggeworfen. Durch Lackierung der Produkte können diese Kosten eingespart werden.
Selbstverständlich hat das Lackieren mehrere weitere Vorteile, wie eine bessere chemische Resistenz oder EMV-Absperrung. Mehr über die Lackierung von Kunststoff.
Fallstricke vermeiden
Insbesondere wenn der Absatz unsicher ist, ist man geneigt Zeit- und Geldinvestitionen gering zu halten. Oft stellt sich dann heraus, dass sich die Form nicht für die Produktion eignet, oder dass nur mit hohen Kosten bewirkt werden kann, dass sie sich dafür eignet. Beispiele sind unzureichende Kühlkanäle, eine zu fragile Konstruktion, Stahlsorten, die den erforderlichen Spritzdruck nicht aushalten, oder das Anspritzen an der falschen Stelle.
Beispiel:
Ein Kunde beschließt Kosten zu sparen und eine Form bei einem Werkzeughersteller in Polen zu kaufen. Produziert wird sie in einem Spritzgussunternehmen in Rumänien. Nachdem der Formenbauer dem Kunden einige gute Produkte gezeigt hat, entschließt er sich dazu die Form zur Produktion nach Rumänien zu senden.
In Rumänien läuft es dann schief: Die Zykluszeit erweist sich als mehr als doppelt so lang, vor allem weil in der Form die Kühlkanäle fehlen. Darüber hinaus ist der Stahl so weich, dass der Spritzdruck ihn verformt. Dadurch verschlechtert sich die Produktoberfläche immer mehr. Außerdem stellt sich heraus, dass die Form zu wenig Auswerfer hat, sodass das Produkt sich nur manuell aus der Form holen lässt.